Freitag, 18. November 2011

Tapei by Night: Shida Nightmarket

Während sich das Gros meiner Berufskollegen am Donnerstag Abend zum Shilin-Nachtmarkt aufmachte, hatte ich andere Pläne: Mich zog es zum Shida-Nachtmarkt, etwas kleiner als der von Shilin, nah an der Normal University und mit betont internationalem Flair.

[Anmerkung des Autors: Ursprünglich hatte ich den Nightmarket als "Shintan" bezeichnet - inzwischen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass "Shida Nightmarket" korrekt ist.]


Als wir kurz nach sechs Uhr abends nach dem Ende des "Pflichtprogramms" der TAITRA-Mediatour mit dem Reisebus Taipeh erreichten, war es bereits dunkel. Daher bot sich beim Blick aus meinem Hotelzimmer im 14. Stock ein majestätisches Bild: Der Tapei 101 kommt im Dunkeln noch besser zur Geltung. Und überragt alle anderen Hochhäuser so was von deutlich, ein Landmark Building halt.

Kurz nach sieben Uhr machte ich mich zu Fuss auf den Weg zu diesem über 500 Meter hohen Wahrzeichen Taipehs. Dort checkte ich im Kellergeschoss kurz die Preise von Sonys NEX-Kameras ab - und musste fest stellen, dass diese in Taiwan nicht günstiger als in der Schweiz sind. Dass der Taipei 101 nachts auch die grösste und am besten sichtbare Werbefläche der Millionenstadt ist, zeigt der "Cartier"-Schriftzug.

Lange blieb ich nicht im Turm, denn mein Ziel lag ein Stück weiter. Also fuhr ich mit der Metro zum Hauptbahnhof von Taipeh, wo mir eine Werbung des Jeans-Herstellers Lee mit Radler und dem Spruch "The city is mine" ins Auge stach - naja, noch geben die Scooter den Ton an (wortwörtlich!), aber wer weiss, was noch kommt?

Im Gewusel des abendlichen Stossverkehrs ging es mit der MRT weiter bis zur Haltestelle Taipower Building. Von dort aus ist man im Nu am Shida-Nightmarket, den ich bis dato noch nie besucht hatte (anders als der Shilin Nightmarket, den ich mir schon mindestens fünf Mal gegeben habe). Erste, mobile Verkaufs-Stände mit integrierter Küche am Rand einer stark befahrenen Strasse wiesen mir den Weg: Wie so oft in Taiwan gilt das Motto "folge den Lichtern, wenn Du Ramba Zamba willst".

Ich tat genau das, und bald zweigte eine erste, engere Gasse mit mehr Volk ab. Und von dort eine weitere Gasse mit noch mehr Leuten. Bald fand ich mich in einem Gewirr schmaler Gassen mit noch schmaleren Kleider-Boutiquen wieder: Eine Tür, ein schmales Schaufenster und dahinter ein Ladenlokal, das weit in die Tiefe reicht. Erinnert irgendwie an Amsterdam, bloss noch gedrängter.

Also immer weiter rein ins Gewirr der Gassen, den Lichtern und der Nase nach, und bald fand ich mich mitten im Gewühl wieder. Selbst hatte ich bereits im 7-Eleven eine übergrosse Heineken-Büchse (0.72 Liter, was für ein Mass...) und zwei Onigiri-Reissandwiches gezogen und verpflegte mich so mobil, während ich die Eindrücke dieses Nachtmarktes in mich aufsog - mit allen Sinnen.

Tatsächlich waren in Shida markant mehr Nichtasiaten unterwegs als jeweils am Shilin-Nachtmarkt, und für deren Geschmack gab es vom italienischen Lokal "Dr. Pasta" über die Bar "Renoir" (wohl mit Kunststudenten als Zielpublikum) bis zu eindeutig britisch oder belgisch angehauchten Pubs das jeweils passende Angebot.
 
Statt Jahrmarkt-Feeling mit Lämpchen und Schiessbuden bestimmten viele, teils sehr abgefahrene Mode-Boutiquen das Bild. Asiatische Punkgören finden bei "Rock Candy" alles, was das Herz begehrt - leicht abgewetzt, sehr abgedreht.  Die Verkäuferin mit ihren kurzen, gebleichten Haaren, im Bild nur noch knapp unter dem Abzug von Warhols Monroe-Portrait zu sehen, passte da ins Bild.

 Dagegen ist beim Shop "minimal" der Name Programm: An einer abgeschrägten Ecke zwischen zwei Gassen gelegen - und zwar nur an der Ecke - war dies der flächenmässig kleinste Shop, der mir zu Augen kam. Damit die Kunden Platz haben, sich in Ruhe umzuschauen, wartete die Verkäuferin draussen auf der Strasse - und pries dort auch gleich ihre Ware an.

Ich liess es mir natürlich auch nicht nehmen, einigen der Gassenköche über die Schulter zu blicken - schliesslich zelebrieren die Taiwanesen auf Nightmarkets die Zubereitung genauso wie den Verzehr der Speisen. Dabei wird das ganze Tier verzehrt, also vom Schwein nicht nur die Filetstücke oder die Ribs, sondern auch die Schnauze und die Pfoten, vom Geflügel auch Kopf und Krallen. Gewiss gewöhnungsbedürftig, aber auch nicht schlechter, als wie in Europa drei Viertel eines geschlachteten Tiers als Abfall zu entsorgen


Ach ja: Wer in Taipeh auf der Suche nach belgischen Spezialbieren ist, der ist beim Shida Nightmarket genau richtig. Was das "Cafe Bastille" per Leuchtreklame verkündet, ist kein leeres Versprechen. Das beweisen die aufgereihten Flaschen, unter denen sich einige Juwelen befinden. Und auch der leere "Duvel"-Karton zeigt, dass dieses belgische Starkbier in Bars dieses Viertels zu haben ist.

Um noch mit der MRT (Metro) zurück zum Hotel zu kommen und nicht auf ein Taxi angewiesen zu sein, machte ich mich kurz nach elf Uhr auf den Rückweg. Zunächst einmal bis zur Haltestelle "Taipei City Hall", wo ich in einem 7-Eleven nochmals ein Bier kaufte und staunend den in den vergangenen fünf Monaten weit gediehenen Rohbau des "Tapei Financial Center" betrachtete. Wenn die Taiwanesen loslegen, geht es eben Ratzfatz, da bleibt kein Auge trocken. Schaffiges Völkchen.

Weiter ging es zu Fuss in Richtung Hotel "United", unserer Unterkunft. Unterwegs schmunzelte ich über die etwas eigenartige Art und Weise, wie kleine Bäumchen mit blauen LEDs behängt werden, um Weihnachtsstimmung zu erzeugen. Da es grad mal Mitternacht war, legte ich noch eine Ehrenrunde ein - und merkte, dass ich genau diese Ecke der Stadt vor drei Jahren bei meinem allerersten Besuch in Taipeh am ersten Tag schon einmal durchwandert hatte - damals auf dem Weg vom Hotel "Aurora Garden" zum Taipei 101.

 Wie ich die futuristische Zentrale des TV-Senders "CTV" passierte, wurde ich Zeuge eines Falls von Fahrerflucht: Ein Autofahrer unterschätzte in einer Seitengasse die Breite seiner Karre, streifte einen abgestellten Scooter und demolierte diesen nachhaltig. Der Fahrer liess sich nichts anmerken und fuhr ungebremst weiter. Tja, ein lärmiger und stinkiger Scooter weniger, nur bedingt ein Verlust für die Lebensqualität in Taipeh. Zumal es ein hässlicher, moderner Scooter war, der dran glauben musste.

Bei diesem leicht angerosteten Bijou, das ich wenige Minuten zuvor photographiert hatte, hätte mich der von mir beobachtete Unfall weit mehr aufgewühlt: Eine echte Piaggo Vespa mit Einzelsitzchen, wenn auch der zweite Sitz nicht original ist. Trotz grossflächig angreifendem Flugrost zeitlos schön (wenn auch kaum weniger laut oder stinkig), das Teil.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen