Mittwoch, 21. Mai 2008

Von Fussball, Fremdenhass und anderen Plagen

In kaum zwei Wochen beginnen die Fussball-Europameisterschaften. Als ob das noch nicht Grund genug wäre, die Schweiz grossräumig zu meiden, setzt die SVP mit ihrer aktuellen Plakatkampagne noch eins drauf.

Mit kollektiven Identitäten ist das so eine Sache: Aus einem gemütlichen «Wir»-Gefühl kann sehr schnell ein höchst ungemütliches «Ihr nicht»-Gefühl werden, denn schliesslich ist einer der zentralen Mechanismen der Identitätsfindung derjenige von Inklusion und Exklusion. Die Vergangenheit ist zwar reich an Exempeln, wo das Streben nach einem ethnisch reinen Volkskörper grässlich in die Hose gegangen ist. Aber muss man denn aus der Geschichte lernen? Darf nicht jede Generation denselben Stuss noch einmal probieren?

Nach den schwarzen Schafen nun auffällig pigmentierte Hände. Rassismus? Nein...

Die Welt - zu Gast bei nicht so freundlich Gesinnten
In den Wochen vor Beginn der Fussball-Europameisterschaften verschandeln einmal mehr äusserst einfach gestrickte, ja meines Erachtens eindeutig rassistische Plakate den öffentlichen Raum. Diese stammen von der Partei des beleidigten Abgewählten, auch als SVP bekannt (dass dieses Kürzel für «Schweizerische Verrohungs-Politik» steht, ist ein unbestätigtes Gerücht), und zeigen in gewohnt infantiler Darstellungsart, wie farbige Hände (Igitt!) in einer Wühlkiste nach Schweizer Reisepässen greifen. Gierig, anmassend, unangebracht.

Zwar abgewählt, aber noch immer ein Vordenker in der SVP: Ulrich Schlüer. Mit seinem Kittel verbindet ihn einiges: beide sind kleinkariert und braun gesprenkelt.

Nun ist es schon schlimm genug, dass die Hautfarbe für die SVP ganz offensichtlich ein wesentliches Kriterium für den Entscheid ist, ob jemand in der Schweiz genügend assimiliert und damit dieses hochheiligen Bürgerrechtes (auf das zu verzichten ich vor über 15 Jahren aus freien Stücken entschieden habe) als würdig erachtet wird. Allzu stark sollte also niemand pigmentiert sein, wenn es nach der SVP geht – verständlich angesichts solch rotblonder Protofaschisten wie Ulrich Schlüer in ihren Reihen.

Wie steht es denn um die Nationalmannschaft der Schweiz?
So richtig lustig (okay, dieses Adjektiv bleibt auch mir halb im Hals respektive in den tippenden Fingern stecken, aber ich kann die Aktionen der SVP nur noch mit Häme und Sarkasmus verfolgen) wird’s aber erst, wenn man dieses tolle Abstimmungsplakat und ein Mannschaftsbild jener Auswahl nebeneinander stellt, welche im Juni die Ehre des Landes auf 100 mal 60 Metern Gras zu verteidigen hat.

Kannst Du kicken? Dann bekommst Du einen schönen, roten Pass.

Dann wollen wir doch mal auf dem offiziellen Mannschaftsbild schauen, wer da alles mitspielt. Denn rasch wird klar, dass ein gehobenes Niveau im Umgang mit dem Ball den Weg zum Schweizer Pass enorm vereinfacht – gänzlich unbesehen von der Pigmentierung. Ob allerdings eine rein schweizerische Herkunft dem Umgang mit dem runden Leder hinderlich ist, sei mal dahin gestellt. Mir sind zumindest keine Studien bekannt, welche dies belegen.

Gruppe 1: Homo helveticus – die (aus SVP-Sicht) Unverdächtigen
oberste Reihe:
25 Steve von Bergen
34 Mario Eggimann
29 Stephan Lichtsteiner
30 Reto Ziegler
mittlere Reihe:
1 Pascal Zuberbühler
24 Benjamin Huggel
untere Reihe:
10 Daniel Gygax
9 Alexander Frei
3 Ludovic Magnin
17 Christoph Spycher
nicht auf dem Bild: Patrick Müller

Gruppe 2: Die Secondos aus dem europäischen Umfeld
Mittlere Reihe:
19 Valon Behrami
31 Diego Benaglio
untere Reihe:
16 Tranquillo Barnetta
4 Philippe Senderos
nicht auf dem Bild: Eldin Jakupovic, Ricardo Cabanas
auf Pikett: Blerim Dzemaili

Gruppe 3: Migrantenkinder aus aussereuropäischen Gebieten (mindestens ein Elternteil, inkl. Türkei)
oberste Reihe:
38: Eren Derdiyok
33: Gelson Fernandes
mittlere Reihe:
31 Blaise N'Kufo
27 Gökhan Inler
untere Reihe:
28 Johan Vonlanthen
22 Hakan Yakin
nicht auf dem Bild: Johan Djourou

Neben elf auch nach xenophober bis rassistisch unterfütterter SVP-Diktion reinen Schweizern stehen dreizehn Spieler mit Migrationshintergrund (ein schreckliches Wort, das sonst immer in Polizeimeldungen herum geistert und in den meisten Problemfällen mit tiefes Einkommen/tiefe Bildung korrelieren dürfte) im engeren Kader.

Immerhin dürfte die jüngste, verletzungsbedingte Mutation die SVP-Anhänger beruhigen: Für Blaise N’Kufo, gegen dessen Nominierung der koksende und in die Luft ballernde Wicht Giuliano Bignasca von der Lega del Ticinesi sogleich losgezetert hatte, rückt mit Thomas Häberli ein waschechter Innerschweizer nach. Zwar kein Urner, Unterwaldner oder Schwyzer, aber immerhin ein Luzerner. Dass er in Bern kickt, sollte ihm übrigens nicht als Migration vorgehalten werden.

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