Donnerstag, 6. März 2008

Retro: Let the good times roll!

Mit den Präferenzen ist es manchmal so eine Sache: Vieles geschieht unbewusst. Das wurde mir klar, als ich mir letzthin Gedanken zur Farbgebung dieses Blogs gemacht habe. Denn auch die Farben im Titelbalken sind kein Zufall.

So scheusslich ich die meisten modernen Trikots der Profi-Strassenteams (und auch der meisten Mountainbike-Teams) finde, so sehr freuen mich alte Trikots – aus den Zeiten vor EPO und Doping-Dauerschlagzeilen, als Männer eben noch echte Männer und der «Pot Belge» wenn nicht in aller Munde, so doch oft in den Venen vieler Radprofis war. Als noch ein Griff ans Unterrohr nötig war, um die Gänge zu wechseln, und Bremsungen bei Nässe ein Glücksspiel mit ungewissem Ausgang waren.

Wertarbeit aus vergangener Zeit, bis hin zu den aufgestickten Dekors.

Zwar bin selbst ich nicht alt genug, um diese Zeiten erlebt zu haben – und darum umso anfälliger für beschönigende Vorstellungen der guten, alten Zeit. Und die einfachste Art, sich den Radheroen von anno dazumal, den Merckx’, Ocañas und Anquetils näher zu fühlen, beginnt mit einem Gang zu einem gut sortierten Flohmarkt oder Secondhand-Shop. Denn wer weiss, wo er suchen muss, kann noch viele Radtrikots aus den 60er und 70er Jahren finden – zum Beispiel in Amsterdam am Waterloo-Plein.

Kratzig, widerborstig - aber auch schön
Der Tragekomfort dieser aus Acrylwolle gefertigten Trikots ist zugegebenermassen nicht über alle Zweifel erhaben. Aber wer Stil zeigen will, muss eben auch etwas Leidensfähigkeit mit bringen. Und mit einem modernen Funktionsunterhemd drunter halten sich die Abstriche in einem engen Rahmen – erst recht im Frühling und Herbst, wenn das etwas dickere Gewebe der Oldtimer-Shorts den allzu kühlen Fahrtwind abhält. Auch wenn ich mir schon einige Male anhören musste, dass ich keinen Respekt vor Sammlerstücken hätte: Ich trag diese Trikots auch und gerade bei Biketouren im Gelände.


Orange und ein mittleres Blau - wie das Trikot, so der Titelbalken.
Was dies alles mit den Farben des Titelbalkens zu tun hat? Nun, das Bild meines «Prunkstücks» unter den alten Trikots verrät es: Die Farben entsprechen exakt jenen des Gazelle-Campagnolo-Trikot, das holländische Urigkeit (die bleischweren Hollandräder dieses Herstellers lassen grüssen) mit italienischer Grandezza vereint – und erst noch von Santini gefertigt ist. Besser geht’s nun wirklich kaum, oder?

Bei Crédit Mutuel dürfte es sich wohl um Kermit's Lieblingsbank handeln. Alles Grün?

Nicht nur für den Gang in den Biergarten
Auch das auffallend sattgrüne Trikot von «Crédit Mutuel» ist schon zu viele Einsätzen gekommen, auch im traditionellen Plausch-Marathonrennen «Many Hill Show» des PizzaCups. Dass ich dieses Trikot ausgerechnet im Hitzesommer 2003 an einem viereinhalbstündigen Rennen tragen musste, erwies sich als keine gute Idee. Mein Stilbewusstsein brachte mir schwere Krampferscheinungungen und einen milden Hitzschlag ein – was ich aber erst merkte, als ich der einzige war, der sich über die scheinbar flackernde Neonbeleuchtung auf der Toilette nach zwei Dritteln der Strecke aufregte…

Das Bild als Beweis: Montage der Startnummer vor der «Many Hill Show» im Hitzesommer 03.

Perfekt zu den Farben meines treuen, mittlerweile alten Cannondale Jekyll-Bikes (Hauptrahmen Gelb, Schwinge in Blau mit gelben Schriften) passt das Trikot von «Le Coq Sportif» - auch wenn es ohne Sponsoren-Aufschriften auskommen muss. Dafür versprüht es dank der brasilianischen Nationalfarben etwas Samba-Flair auf den Trails. Und mit seinem etwas dünneren und weniger kratzig-rauen Material ist dieses Trikot das einzige Retro-Teil, das sich auch an heissen Tagen ohne funktionelle Abstriche tragen lässt.


Nur selten auf dem Bike, sondern eher an lauen Sommerabenden im Biergarten habe ich schliesslich das vierte Retro-Trikot meiner kleinen Sammlung getragen: Wenn schon überaus deutlich «Amstel Bier» auf der Brust steht, muss man sich darin nun wirklich nicht übermässig quälen. Die Farbgebung ist – nun ja, sagen wir mal Geschmackssache. Für mich als Holländer passts, und auch Luxemburger und Franzosen werden sich darin wohl fühlen. Deutsche wohl weniger.


Rot-Weiss-Blau, und dazu der Schriftzug - oder wie man sich als Flachländer outet.

Molteni: Der heilige Gral unter den Oldie-Shirts
Bis heute entwischt ist mir der heilige Gral unter den Oldie-Trikots: Das Fiat-Molteni-Teil, wie es auch Grossmeister Eddie Merckx jeweils auf dem Weg zu vielen seiner Siege trug, ist auch für passionierte Jäger und Sammler kaum noch aufzutreiben. In Amsterdam hab ich vor Jahren eine junge Dame gestoppt, die in genau so einem Trikot und auf Inline-Skates daher geflitzt kam – sie wusste nicht einmal, was sie da trug, wollte mir das Trikot aber gleichwohl nicht verkaufen (sondern hielt das für eine billige Anmache, damit sie selbiges auszieht).

Aus feinster Merino-Wolle: Molteni-Trainingssweater von Woolistic.

Aber auch hier gibt’s eine Lösung: Denn die von der Schweiz aus operierende Firma Woolistic produziert eine Auswahl klassischer Trikots neu – und zwar aus feinster Merino-Wolle. Da muss nun allerdings ich sagen, dass mir diese Teile zu schade wären, um damit im Gelände rum zu heizen.

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